Krisenkommunikation – Kommunikation in der Krise

Die Krise ist über uns gekommen. Alle sind von ihr betroffen: die Politik, die Banken, die Wirtschaft, die Menschen als Sparer, Steuerzahler, Konsumenten. Doch, wie reagieren diese Gruppen?

 

Die Menschen zeigen sich, wie wir aus eigenen Untersuchungen in den letzten Wochen wissen, zwar besorgt, aber nur selten ängstlich und in keinem Fall panisch. Die Befürchtung, die die Politik kurzzeitig hatte, die Leute würden die Bankschalter stürmen und ihr Erspartes abheben, hat sich nicht bestätigt. Die natürliche und „gesunde“ Reaktion der Menschen ist, erst einmal abwarten, es wird schon nicht so schlimm kommen. Aber wird diese „vernünftige“ Haltung bleiben, wenn Einschränkungen und Bedrohungen, wie Kurzarbeit oder Arbeitsplatzverlust, näher rücken und direkte Betroffenheit erzeugen?

 

Die Politiker versuchen, sich mit ihren Rettungsschirmen und Konjunkturpaketen als unerschrockene Krisenmanager zu geben. Das scheint aber die Menschen nicht recht zu überzeugen: 51% stehen laut DeutschlandTREND vom Januar 2009 dem Konjunkturpaket II skeptisch gegenüber. Außerdem wirkt die Kehrtwendung vieler politischer Akteure vom Marktliberalismus zum Staatsinterventionismus zu abrupt, um wirklich glaubwürdig zu erscheinen. Die Wirtschaftskompetenz von Politik wird ohnehin notorisch in Frage gestellt.

 

Und das Finanzsystem, der eigentliche Ursachenherd? Die meisten Unternehmen haben sich erst einmal weggeduckt, von gezielter Krisenkommunikation keine Spur. Die aktuelle Situation ist ja auch deutlich schwerwiegender und komplexer als einzelne „Störfälle“ (von Brent Spar, über Elchtest bis zu Ausspähaktionen) und sicher nicht mit den gängigen Regeln der Krisenkommunikation in den Griff zu bekommen.

Wir haben einmal nachgeschaut, wie die Finanzinstitute auf die Krise reagiert und wie sie mit der Öffentlichkeit kommuniziert haben. Dazu haben wir beispielhaft die im SPIEGEL von Juni 2008 bis heute erschienenen Anzeigen von Banken und Versicherungen ausgewertet.

 

Das Ergebnis: Bis Mitte September business as usual, die gängigen Anzeigen z.B. zu bestimmten Finanzprodukten oder zur Abgeltungssteuer erscheinen. In den insgesamt drei „Krisen-Ausgaben“ des SPIEGEL dann plötzlich überhaupt keine Bankenwerbung mehr. Die Branche hält still. Aber Ende Oktober kehrt die Bankenwerbung allmählich wieder, überwiegend mit denselben Inhalten wie vor der Krise, ganz so, als ob nichts geschehen sei. Erst im Dezember sind einige Anzeigen auch auf die Krise bezogen. Dabei werden Werte wie Sicherheit und Vertrauen besonders betont. Die Krise selbst wird nur mit unscharfen Begriffen wie „schwierige Zeiten“ (Deutsche Bank) oder „turbulente Kapitalmarktphase“ (Allianz) beschrieben. Erst die Gut-für-Deutschland-Kampagne des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes geht gezielter auf die Krise ein. Sie ist ernst, sachlich, dialogorientiert.

 

In diesem Zusammenhang stellt sich also die Frage nach der angemessenen Art und Weise von Kommunikation in Zeiten der Krise. Sich wegducken und sich ruhig verhalten in der Hoffnung, die Krise einfach aussitzen zu können, kann kein probates Mittel sein. Denn: Man kann nicht nicht kommunizieren. Man muss vielmehr seine Kommunikation anpassen und eine stringente und an den Zielgruppen orientierte Krisenkommunikation betreiben.

 

Das Vertrauen der Menschen in den Bankensektor ist durch die Finanzkrise brüchig geworden. Nach einer Untersuchung des Bankenverbands geben im Oktober 2008 immerhin 39 % der Befragten an, ihr Vertrauen in die Banken habe angesichts der Finanzmarktkrise „stark gelitten“.

 

Parallel dazu ist auch das Zutrauen der Menschen in die Problemlösungskompetenz der Politik weiter gesunken. Nur etwas mehr als ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger traut der Politik zu, dass sie die wirtschaftlichen Probleme des Landes in den Griff bekommt. Die spannende Frage, gerade im Vorfeld des Wahlkampfs, wird sein, wie sich die Krise selbst und die politischen Konzepte der Krisenbekämpfung auf die Wählerstimmung auswirken. Auch hier werden wieder Glaubwürdigkeit der Politik und Vertrauen in Politiker und Parteien wesentliche Einflussfaktoren darstellen.

 

Vertrauen entsteht in ständiger Interaktion, in einer Art kommunikativem Aushandlungsprozess zwischen den Institutionen auf der einen und ihren „Zielgruppen“ auf der anderen Seite.

 

So beobachten zum Beispiel die Bürgerinnen und Bürger die Regierung und die Parteien und ihr Verhalten in der Krise und konstruieren auf dieser Basis ein Bild von der Politik und ihren Akteuren. Und sie entwickeln Erwartungen, wie sich die Politik verhalten sollte. Nur wenn diese Erwartungen auch zuverlässig erfüllt werden, wird Vertrauen gestärkt. Bei wiederholter Nichterfüllung kommt es zu einer Störung der Beziehung und zu einer Erosion des Vertrauens.

 

Voraussetzung für Vertrauensbildung ist also, dass die Institutionen die aktuellen Erwartungen ihrer Zielgruppen detailliert kennen und ihre Kommunikation an diesen Erwartungen ausrichten. Das gilt auch und gerade für die politische Kommunikation, der ohnehin gerne Glaubwürdigkeitsdefizite vorgehalten werden.

 

Hier liegt der Ansatzpunkt von systemischer Meinungsforschung: Sie beobachtet die soziale Co-Konstruktion von Vertrauen (und anderen Image bestimmenden Werten) zwischen Institutionen und ihren Zielgruppen und entschlüsselt die Möglichkeiten und Andockstellen wirkungsvoller Anschlusskommunikation.

 

Systemische Meinungsforschung setzt beim System und bei der Interaktion zwischen den Systemelementen an und nimmt dabei die Meta-Perspektive ein. Die konkrete Forschung vollzieht sich in drei Schritten:

(1)     Zuerst erforscht sie auf der institutionellen Seite (Unternehmen, Verband,  Ministerium, Partei etc.), wie die Krise intern bewertet wird, welche Art der Krisenkommunikation (Botschaften, Tonalität, Medien) mit welchen Zielgruppen betrieben wird und auf welchen Annahmen über die Zielgruppen diese Kommunikation beruht.

(2)   Dann exploriert sie auf der Seite der Zielgruppen, wie die Krise, vor allem bezogen auf die eigene Lebenslage, bewertet wird, welche Reaktionen der Institutionen wahrgenommen und wie diese bewertet werden und welche Erwartungen nicht erfüllt sind.

(3)    In dritten, dem analytischen Schritt werden die internen und externen Sichtweisen miteinander konfrontiert. Dabei werden die kommunikativen Berührungspunkte und Schnittmengen zwischen Institution und Bürgern identifiziert und es wird deutlich, in welcher Art und Weise und in welchem Ausmaß sich die Institution und ihre Zielgruppen verstehen bzw. in welchen Bereichen sie aneinander vorbei kommunizieren.

 

Damit lassen sich aus der Forschung ganz unmittelbar Hinweise für eine wirkungsvolle und krisenadäquate Kommunikation – seien es klassische Werbung, Dialogmarketing oder Öffentlichkeitsarbeit – ableiten.

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