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Wie Heike Schmitt einmal ihre internen Kunden nicht so recht zufrieden stellen konnte (Teil II)

Mittwoch, Juli 29th, 2009

Was bisher geschah: Heike Schmitt ist betriebliche Marktforscherin bei der Nixschmutz AG, einem großen Hersteller von Reinigungsgeräten. Mit einer qualitativen Grundlagenstudie zur „Psychologie der Raumpflege“ hat sie in Zusammenarbeit mit Iquar (zur Erinnerung: Institut für qualitative Reinigungsforschung) erforscht, wie die Zielgruppe bei der Raumpflege vorgeht und welche Probleme dabei auftauchen.

Das Forschungsprojekt hatte zum Ziel, Anregungen für die Entwicklung neuer Raumpflegeprodukte zu gewinnen. Trotz handwerklich einwandfreier Umsetzung durch das beauftragte Forschungsinstitut fanden nicht alle beteiligten Fachabteilungen ihre Fragestellungen beantwortet. Die konkrete Umsetzung der Ergebnisse in Produktinnovationen schien gescheitert, und Heike Schmitt hat nun den Ärger.

Was ist hier passiert und was hätten Heike Schmitt und das Institut tun können, um zufriedenere Kunden zu hinterlassen? Bei Iquar arbeiten höchst kompetente und erfahrene Mitarbeiter, die durchaus in der Lage sind, ein Forschungsprojekt solide und in bester Qualität durchzuführen. Dennoch kann es geschehen, dass die Forschungsbefunde von den Abteilungen zwar als interessante Information zur Kenntnis genommen, aber zu selten in unternehmerisches Wissen und damit in Produktneuerungen oder Kommunikation umgesetzt werden. Der Gap zwischen Information und Umsetzung ist meist zu groß. Dies liegt aber weder daran, dass Iquar nicht gut genug gearbeitet hat noch daran, dass die internen Kunden zu wenig von qualitativer Forschung verstehen. Die Schwierigkeit besteht vielmehr darin, dass die Akteure der qualitativen Marktforschung nicht „anschlussfähig“ kommunizieren.

Innerhalb eines Forschungsprozesses interagieren verschiedene Akteure, die das Problem oft unterschiedlich definieren und dabei unterschiedliche Codes verwenden: die Codes der Produktentwickler, der Marketingleute, der Vertriebler. Denn jeder betrachtet und formuliert das Problem aus seiner eigenen, höchst persönlichen Perspektive. Dabei vermischen sich funktional motivierte Anforderungen mit individuellen Interessenslagen wie Macht, Anerkennung oder Selbstverwirklichung. Diese Interessenskonflikte und unterschiedlichen Erwartungen der Akteure bringen die Gefahr mit sich, dass sie – wenn sie unentdeckt bleiben – still und heimlich in den Forschungsprozess hineingetragen werden. Anschlussfähig kommunizieren bedeutet daher, davon auszugehen …

… dass selten Konsens über die anzustrebenden Forschungsziele herrscht,

… dass der Dissens – wenn nicht offen ausgesprochen – unbemerkt in den Forschungsprozess hineingetragen wird,

… dass die unausgesprochenen Interessen und Erwartungen der Projektbeteiligten identifiziert werden müssen.

Der Forschungsprozess muss dann konsequent an die identifizierten divergierenden Interessen und Erwartungen angekoppelt werden. Dies kann nur gelingen, wenn Forschungsprozesse so organisiert werden, dass erfolgreiche Kommunikation zwischen allen Akteuren in allen Prozessphasen hergestellt wird. Bezogen auf Heike Schmitt und ihr Forschungsprojekt sieht das dann folgendermaßen aus.

1) Einführung eines Reflektionsteams

Heike Schmitt trommelt alle entscheidungsrelevanten Akteure nämlich Frau Müller-Pfaffengrund von der Strategie, den R&D-Chef Herrn Maier sowie Herrn Becker aus der Produktentwicklung zu einem ersten Treffen mit Iquar zusammen. Hierin werden auf der Basis eines Gesprächsleitfadens, welchen das Iquar-Team in enger Abstimmung mit Heike Schmitt entwickelt hat, alle manifesten und latenten Interessen und Erwartungen sowie das Know-how (internes und externes Wissen, Intuitionen, Erfahrungen) der Beteiligten in Bezug auf die Forschungsfrage exploriert. Iquar analysiert und definiert das Problem und schält erst dann die eigentliche Fragestellung – das Problem hinter dem Problem – heraus.

2) Entwicklung des Forschungsdesigns

Die besondere Übersetzungsleistung bei der Entwicklung des Forschungsinstruments besteht dann darin, sowohl die inhaltliche Forschungsfrage als auch die Einzelerwartungen des Reflektionsteams zu berücksichtigen. Das bedeutet in unserem konstruierten Fall, dass mit dem Instrument sowohl die „großen Themen der Raumpflege“, die sich Herr Maier wünscht als auch eine „Putztypologie“, wie von Frau Müller-Pfaffengrund gefordert sowie eine Art „qualitatives Conjoint“ wie von Herrn Becker erwartet, erhoben werden müssen. Um diese Anforderungen zu erfüllen bedarf es besonderer Sorgfalt und erneut hoher kommunikativer Kompetenzen insbesondere in Gesprächsführungs- und Fragtechniken.

3) Prozess der Erkenntnisgewinnung

Das Reflektionsteam begleitet zumindest den Anfang des Erhebungsprozesses und erhält die Gelegenheit, direkt oder vermittelt durch das Marktforschungsinstitut seine individuellen Fragen an die Zielgruppe zu richten. Die Interviews oder Gruppendiskussionen mit dem Reflektionsteam dauern daher etwas länger als herkömmlich. Sie werden zunächst frei von Vorannahmen und eigenen Erwartungen geführt. Dann aber wird der Prozess für kurze Zeit unterbrochen. Das Reflektionsteam reflektiert entweder hinter der Scheibe oder auch im Beisein der Befragten über seine Beobachtungen. Das Ergebnis der Reflektion wird nochmals mit den Befragten erörtert. Die Phase des gegenseitigen Wissenstransfers wird somit um die Befragtenperspektive erweitert und insgesamt intensiviert.

4) Analyse

Bei der Analyse trennt das Marktforschungsinstitut die beobachteten Phänomene konsequent von der Interpretation. Aus allem, was die Befragten mitteilen (insbesondere Sprache, aber auch Körpersprache, Bilder und Artefakte), werden ihre Befindlichkeiten, Haltungen und Aspirationen erschlossen. Sowohl die Beobachtungen als auch deren Interpretation werden dokumentiert und sind daher jederzeit nachvollziehbar und überprüfbar.

5) Erkenntnisvermittlung

Bei der Darstellung der Befunde achtet das Marktforschungsinstitut darauf, dass die Ergebnisse im Unternehmen „anschlussfähig“ sind. Die Dokumentation und Präsentation der Ergebnisse haben dabei zwei wichtige Funktionen zu erfüllen: Eine Ordnungsfunktion und eine Anregungsfunktion. Bedeutsames muss zunächst von weniger Relevantem getrennt und auf den Punkt gebracht werden. Was bedeutsam ist und was nicht, entscheidet das Institut nicht allein und aus Sicht des Sozialforschers, sondern berücksichtigt dabei in hohem Maße die Unternehmensperspektive und die internen Codes.

Dies ist nur deshalb möglich und umsetzbar weil das Institut durch die intensive Zusammenarbeit im Reflektionsteam damit bestens vertraut ist. Darüber hinaus werden Hypothesen mit Neuigkeitscharakter aufgestellt, die neue Sichtweisen bieten und Lösungsoptionen aufzeigen. Hier ist das kreative Potenzial und die Expertise des Marktforschungsinstituts gefragt. An dieser Stelle werden eindeutige Schlüsse gezogen und entscheidungsrelevante Handlungsempfehlungen aus der Forscherperspektive abgegeben.

6) Der Unterschied, der den Unterschied macht

In einem Forschungsprozess, der so organisiert ist, findet ein hoher gegenseitiger Wissenstransfer statt. Derartig gemeinsam produziertes Wissen erhöht deutlich die Akzeptanz empirischer Studien im Unternehmen und erleichtert dadurch die sich anschließenden Umsetzungsprozesse.

Wie Heike Schmitt einmal ihre internen Kunden nicht so recht zufrieden stellen konnte

Mittwoch, Juli 29th, 2009

Heike Schmitt ist betriebliche Marktforscherin bei der Nixschmutz AG. Nixschmutz ist ein großer Hersteller von Reinigungsgeräten für den Einsatz in Privathaushalten. Der Markt ist heiß umkämpft, und Nixschmutz steht entsprechend unter ständigem Innovationsdruck.Bei Produktneuentwicklungen wird die Marktforschung schon früh eingebunden. Sie soll dabei helfen, die Hausfrauen und Hausmänner und ihre Probleme beim Putzen besser zu verstehen. Auf dieser Grundlage werden Produkte entwickelt, die die Probleme lösen – frei nach dem Motto: Wo es ein Problem gibt, lässt sich auch eine Lösung verkaufen.

Heike Schmitt kommt gerade aus einem Meeting mit Frau Müller-Pfaffengrund von der Strategie, Herrn Maier, dem R&D-Chef des Unternehmens und Herrn Becker, dem Produktentwickler. Es wurden die Eckpunkte für ein neues Projekt festgezurrt. Es geht um den neuen Staubnix (Arbeitstitel), der gegen die zwei ernstzunehmenden Konkurrenzprodukte antreten soll. Geplant ist zuerst eine qualitative Grundlagenstudie zur „Psychologie der Raumpflege“. Dazu hat jede Fachabteilung ihre Anforderungen formuliert. Herrn Maier, den R&D-Chef interessieren „die neuen, großen Themen der Raumpflege, erst einmal unabhängig von konkreten Umsetzungen“. Er wünscht sich Weitblick und Visionen. Frau Müller-Pfaffengrund von der Strategie geht es auch weniger um konkrete Produkteigenschaften, sie interessiert, „ob es unterschiedliche Putz-Typen mit unterschiedlichen Emotionen gibt, die man ansprechen muss“. Und Herr Becker, zuständig für die Entwicklung des neuen Geräts, möchte dagegen ganz genau wissen, welche Funktionalitäten für die Verwender im Vordergrund stehen, denn „Nutzer wünschen sich 1000 Features, die sich teilweise widersprechen. Aber welche sind ihnen denn nun wirklich wichtig?“

Heike aus der Marktforschung packt den Strauß der Anforderungen der Kollegen in ein Briefingpapier und schickt dieses an das hoch spezialisierte Marktforschungsinstitut IquaR (Institut für qualitative Reinigungsforschung), mit dem man schon häufiger kooperiert hat. Die zuständige Institutsmarktforscherin entwickelt daraus ein Forschungsdesign, in dem alle Interessen und Erwartungen des Kunden berücksichtigt sind. Der Vorschlag des Instituts wird nochmals zurückgespielt, Heike und Kollegen schauen drüber und geben ihr OK. Die Dinge nehmen ihren Lauf, und alle haben sich verstanden. Haben sie das wirklich?

Heike glaubt, ihre internen Kunden verstanden zu haben. Und die Institutsmarktforscherin glaubt, Heike verstanden zu haben, denn man hat schon ein paar Projekte zusammen gestemmt. So schickt sie ihre gut geschulten Interviewer ins Feld, lässt 20 dreistündige Tiefeninterviews führen, die das Putzen nach allen Regeln der Fragekunst ausleuchten und kommt nach eingehender psychologischer Analyse zu folgendem Fazit: „Bei der Raumpflege dominieren unterschiedliche Antriebskräfte. Das kritische Bewusstsein fordert Kontrolle und Macht über den Raum, während das triebhafte Unterbewusste libidinös nach Zerstörung desselben verlangt. Je nach Raumpflege-Typus („Libidinöser Schmutzfink“ versus „Kontrollierender Putzteufel“) dominiert das Bewusste das Unterbewusste, also die Kontrolle die Lust oder umgekehrt. Nur wenn das Produkt durch eine Versöhnung von Kontrolle und Lust den Widerspruch aufzulösen weiß, hat es das Potenzial, sich erfolgreich am Markt durchzusetzen.“

Frau Müller-Pfaffengrund freut sich, denn ihre Erwartungen sind erfüllt. Herr Maier hat allerdings seine Mühen, die neuen, großen Themen zu erkennen und kritisiert die Studie als „viel zu esoterisch“. Und Herr Becker sucht vergeblich danach, in welche technischen Features er seine Energien und Ressourcen stecken soll, und solidarisiert sich mit dem Kollegen Maier. Und Heike? Sie hat am Ende den Ärger, denn echte Kundenzufriedenheit will sich bei den Kollegen nicht einstellen. Diese frei erfundene und zugegebenermaßen etwas überspitzte Geschichte soll die anspruchsvolle Rolle skizzieren, die betriebliche Marktforschung in Unternehmen einnimmt, ist doch der betriebliche Marktforscher letztlich der Schnittstellenmanager und als solcher für den Transfer von Marktinformationen in verwertbares Unternehmenswissen zuständig.

Dabei sitzt er regelrecht zwischen allen Stühlen. Seine internen Kunden haben oft ganz unterschiedliche Erfahrungen, Kompetenzen und Interessen. Werden die fachlichen bzw. die persönlichen Erwartungen nicht hundertprozentig erfüllt, entsteht Unzufriedenheit, die auch auf den betrieblichen Marktforscher als Projektverantwortlichen zurückfällt. Die meisten Marktforschungsinstitute halten sich bei der Untersuchungskonzeption relativ strikt an die mehr oder minder ausführlichen Vorgaben der betrieblichen Marktforschung, ohne sie groß zu hinterfragen. So können die ungelösten internen Divergenzen still und heimlich in den Forschungsprozess hineingetragen werden.

Diese Gefahr kann drastisch vermindert werden, wenn man vorab eine konsequente Auftragsklärung betreibt und dabei ergründet, wer die Stakeholder innerhalb des Projekts sind und welche Interessen und Ziele sie mit dem Forschungsvorhaben verbinden. Damit exploriert man erst die internen Erfahrungen und Erwartungen, bevor man sich der Exploration der Themen beim Konsumenten zuwendet. Das spiegelt den Grundansatz systemischer Marktforschung, welche das gesamte System der Interaktion zwischen Herstellern/Anbietern und Konsumenten aus der Metaperspektive unter die Lupe nimmt und damit auch zu einer Neuorganisation des Forschungsprozesses kommt, einer neuen Art der Kooperationen zwischen allen Projektbeteiligten intern und extern. Wie das konkret geht, lesen Sie in der nächsten Folge.

Krisenkommunikation – Kommunikation in der Krise

Freitag, Januar 30th, 2009

Die Krise ist über uns gekommen. Alle sind von ihr betroffen: die Politik, die Banken, die Wirtschaft, die Menschen als Sparer, Steuerzahler, Konsumenten. Doch, wie reagieren diese Gruppen?

 

Die Menschen zeigen sich, wie wir aus eigenen Untersuchungen in den letzten Wochen wissen, zwar besorgt, aber nur selten ängstlich und in keinem Fall panisch. Die Befürchtung, die die Politik kurzzeitig hatte, die Leute würden die Bankschalter stürmen und ihr Erspartes abheben, hat sich nicht bestätigt. Die natürliche und „gesunde“ Reaktion der Menschen ist, erst einmal abwarten, es wird schon nicht so schlimm kommen. Aber wird diese „vernünftige“ Haltung bleiben, wenn Einschränkungen und Bedrohungen, wie Kurzarbeit oder Arbeitsplatzverlust, näher rücken und direkte Betroffenheit erzeugen?

 

Die Politiker versuchen, sich mit ihren Rettungsschirmen und Konjunkturpaketen als unerschrockene Krisenmanager zu geben. Das scheint aber die Menschen nicht recht zu überzeugen: 51% stehen laut DeutschlandTREND vom Januar 2009 dem Konjunkturpaket II skeptisch gegenüber. Außerdem wirkt die Kehrtwendung vieler politischer Akteure vom Marktliberalismus zum Staatsinterventionismus zu abrupt, um wirklich glaubwürdig zu erscheinen. Die Wirtschaftskompetenz von Politik wird ohnehin notorisch in Frage gestellt.

 

Und das Finanzsystem, der eigentliche Ursachenherd? Die meisten Unternehmen haben sich erst einmal weggeduckt, von gezielter Krisenkommunikation keine Spur. Die aktuelle Situation ist ja auch deutlich schwerwiegender und komplexer als einzelne „Störfälle“ (von Brent Spar, über Elchtest bis zu Ausspähaktionen) und sicher nicht mit den gängigen Regeln der Krisenkommunikation in den Griff zu bekommen.

Wir haben einmal nachgeschaut, wie die Finanzinstitute auf die Krise reagiert und wie sie mit der Öffentlichkeit kommuniziert haben. Dazu haben wir beispielhaft die im SPIEGEL von Juni 2008 bis heute erschienenen Anzeigen von Banken und Versicherungen ausgewertet.

 

Das Ergebnis: Bis Mitte September business as usual, die gängigen Anzeigen z.B. zu bestimmten Finanzprodukten oder zur Abgeltungssteuer erscheinen. In den insgesamt drei „Krisen-Ausgaben“ des SPIEGEL dann plötzlich überhaupt keine Bankenwerbung mehr. Die Branche hält still. Aber Ende Oktober kehrt die Bankenwerbung allmählich wieder, überwiegend mit denselben Inhalten wie vor der Krise, ganz so, als ob nichts geschehen sei. Erst im Dezember sind einige Anzeigen auch auf die Krise bezogen. Dabei werden Werte wie Sicherheit und Vertrauen besonders betont. Die Krise selbst wird nur mit unscharfen Begriffen wie „schwierige Zeiten“ (Deutsche Bank) oder „turbulente Kapitalmarktphase“ (Allianz) beschrieben. Erst die Gut-für-Deutschland-Kampagne des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes geht gezielter auf die Krise ein. Sie ist ernst, sachlich, dialogorientiert.

 

In diesem Zusammenhang stellt sich also die Frage nach der angemessenen Art und Weise von Kommunikation in Zeiten der Krise. Sich wegducken und sich ruhig verhalten in der Hoffnung, die Krise einfach aussitzen zu können, kann kein probates Mittel sein. Denn: Man kann nicht nicht kommunizieren. Man muss vielmehr seine Kommunikation anpassen und eine stringente und an den Zielgruppen orientierte Krisenkommunikation betreiben.

 

Das Vertrauen der Menschen in den Bankensektor ist durch die Finanzkrise brüchig geworden. Nach einer Untersuchung des Bankenverbands geben im Oktober 2008 immerhin 39 % der Befragten an, ihr Vertrauen in die Banken habe angesichts der Finanzmarktkrise „stark gelitten“.

 

Parallel dazu ist auch das Zutrauen der Menschen in die Problemlösungskompetenz der Politik weiter gesunken. Nur etwas mehr als ein Drittel der Bürgerinnen und Bürger traut der Politik zu, dass sie die wirtschaftlichen Probleme des Landes in den Griff bekommt. Die spannende Frage, gerade im Vorfeld des Wahlkampfs, wird sein, wie sich die Krise selbst und die politischen Konzepte der Krisenbekämpfung auf die Wählerstimmung auswirken. Auch hier werden wieder Glaubwürdigkeit der Politik und Vertrauen in Politiker und Parteien wesentliche Einflussfaktoren darstellen.

 

Vertrauen entsteht in ständiger Interaktion, in einer Art kommunikativem Aushandlungsprozess zwischen den Institutionen auf der einen und ihren „Zielgruppen“ auf der anderen Seite.

 

So beobachten zum Beispiel die Bürgerinnen und Bürger die Regierung und die Parteien und ihr Verhalten in der Krise und konstruieren auf dieser Basis ein Bild von der Politik und ihren Akteuren. Und sie entwickeln Erwartungen, wie sich die Politik verhalten sollte. Nur wenn diese Erwartungen auch zuverlässig erfüllt werden, wird Vertrauen gestärkt. Bei wiederholter Nichterfüllung kommt es zu einer Störung der Beziehung und zu einer Erosion des Vertrauens.

 

Voraussetzung für Vertrauensbildung ist also, dass die Institutionen die aktuellen Erwartungen ihrer Zielgruppen detailliert kennen und ihre Kommunikation an diesen Erwartungen ausrichten. Das gilt auch und gerade für die politische Kommunikation, der ohnehin gerne Glaubwürdigkeitsdefizite vorgehalten werden.

 

Hier liegt der Ansatzpunkt von systemischer Meinungsforschung: Sie beobachtet die soziale Co-Konstruktion von Vertrauen (und anderen Image bestimmenden Werten) zwischen Institutionen und ihren Zielgruppen und entschlüsselt die Möglichkeiten und Andockstellen wirkungsvoller Anschlusskommunikation.

 

Systemische Meinungsforschung setzt beim System und bei der Interaktion zwischen den Systemelementen an und nimmt dabei die Meta-Perspektive ein. Die konkrete Forschung vollzieht sich in drei Schritten:

(1)     Zuerst erforscht sie auf der institutionellen Seite (Unternehmen, Verband,  Ministerium, Partei etc.), wie die Krise intern bewertet wird, welche Art der Krisenkommunikation (Botschaften, Tonalität, Medien) mit welchen Zielgruppen betrieben wird und auf welchen Annahmen über die Zielgruppen diese Kommunikation beruht.

(2)   Dann exploriert sie auf der Seite der Zielgruppen, wie die Krise, vor allem bezogen auf die eigene Lebenslage, bewertet wird, welche Reaktionen der Institutionen wahrgenommen und wie diese bewertet werden und welche Erwartungen nicht erfüllt sind.

(3)    In dritten, dem analytischen Schritt werden die internen und externen Sichtweisen miteinander konfrontiert. Dabei werden die kommunikativen Berührungspunkte und Schnittmengen zwischen Institution und Bürgern identifiziert und es wird deutlich, in welcher Art und Weise und in welchem Ausmaß sich die Institution und ihre Zielgruppen verstehen bzw. in welchen Bereichen sie aneinander vorbei kommunizieren.

 

Damit lassen sich aus der Forschung ganz unmittelbar Hinweise für eine wirkungsvolle und krisenadäquate Kommunikation – seien es klassische Werbung, Dialogmarketing oder Öffentlichkeitsarbeit – ableiten.