Theorie

Der systemisch-konstruktivistische Ansatz ist interdisziplinär orientiert. Seine Wurzeln sind in vielen Wissenschaftsbereichen angelegt: in der Anthropologie (Gregory Bateson), der Kybernetik (Heinz von Foerster), der Neuro-Biologie (Francisco Varela und Humberto Maturana), der Soziologie (Niklas Luhmann) und der Kommunikationstheorie (Paul Watzlawick).

Die beiden tragenden Säulen systemischen Denkens und Forschens bilden: die konstruktivistische Erkenntnistheorie und die Theorie sozialer Systeme.

Der Konstruktivismus geht davon aus, dass Menschen immer nur Teile „der Welt“ wahrnehmen und sich aus diesen Mosaiksteinchen ihr jeweils eigenes Welt-Bild zusammen bauen. Diese individuellen Welt-Bilder sind keine objektiven Wahrheiten, sondern immer Konstruktionen, also stets nur Annahmen darüber, wie die Welt sei. Sie basieren auf den Beobachtungen, die eine Person macht und darauf, wie sie diese verarbeitet, das heißt in ihr bereits bestehendes Welt-Bild einpasst, was möglicherweise Modifikationen des Welt-Bilds nach sich zieht.

Systemisch-konstruktivistisch orientierte Forschung nimmt deshalb den Prozess der Konstruktions-Bildung in den Blick. Sie untersucht, was die Menschen beobachten und was nicht, und welche inneren Annahmen über die „Realität“ sie für sich daraus entwickeln.

Die Theorie sozialer Systeme geht davon aus, dass sich soziale Systeme nicht durch Personen, sondern durch Kommunikation konstituieren. Dazu entwickelt jedes System eigene Regeln und Prinzipien (interne Strukturen und Codes), nach welchen es letztlich auch sein Handeln ausrichtet. Wirtschaft, Politik, Massenmedien bilden soziale
Systeme ebenso wie Konsumenten, Wähler oder Tageszeitungsleser.

Kommunikation ist nach dieser Vorstellung nicht einfache Informationsübertragung von einem Sender auf Empfänger, sondern verläuft in einem ständigen Aushandlungsprozess zwischen den beteiligten sozialen Systemen.

Kommunikation und ihre Wirkungen (wie zum Beispiel die Bildung von Images oder die Entwicklung von Kauf- oder Wahlentscheidungen) können deshalb nicht direkt beobachtet und erfragt werden, sondern müssen erst durch Forschung unter Einbeziehung aller relevanten Kontextfaktoren erschlossen werden. So ist es nicht zielführend, einfach danach zu fragen, wie die Menschen zum Beispiel eine bestimmte Marke, eine bestimmte Partei oder ein bestimmtes Produkt sehen und die Antworten dann zu aggregieren und zu gewichten.

Beobachtung zweiter Ordnung oder: Ich sehe was, was Du nicht siehst.

Vielmehr muss der Forscher systematisch eine andere Warte für die Exploration einnehmen: Diese zielt auf das Verstehen des Verstehens der Menschen in ihren unterschiedlichen Rollen als Konsumenten, als Rezipienten, als Wähler. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von Beobachtung zweiter Ordnung. Nur dadurch können wir erkennen, was die Menschen sehen und was sie nicht sehen (Selektion) und auf welchen Aspekten ihre Unterscheidungen beruhen.

Der systemisch-konstruktivistische Ansatz führt insgesamt zu einem folgenreichen Perspektivenwechsel. Dabei wird auch die Haltung des Forschers neu bestimmt: Sie bewegt sich zwischen Respekt gegenüber den am Forschungsprozess Beteiligten („All-Parteilichkeit“) und Respektlosigkeit gegenüber weithin akzeptierten, vermeintlichen Wahrheiten.

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