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Politische Kommunikation zwischen Baumplakat und Web 2.0

Freitag, September 28th, 2007

Kommunikation gehört ohne Zweifel zum „Kerngeschäft“ der Politik. Denn politische Inhalte und Ziele müssen öffentlich thematisiert und vermittelt werden. Politikvermittlung bildet die Basis der Willensbildung der Bürgerinnen und Bürger. Manchmal wendet sich die Politik „direkt“ an den Bürger. Das gilt in Zeiten des Wahlkampfs, wenn die Baumplakate gehängt werden, und die Parteien auf deutschen Marktplätzen ihre Kandidaten präsentieren. Das gilt für so manche Informationsbroschüre, die auf den Fluren der Ämter und anderer öffentlicher Einrichtungen auf Interessenten wartet. Schließlich nutzt Politik auch die zeitgemäßen Kanäle: Die Ministerien haben ihre Websites, oft bis zum Rand gefüllt mit Information. Und die Bundeskanzlerin ist mit ihren Podcasts technisch besonders up-to-date. 

Zunehmend erreicht Politik die Bürger nur noch medial vermittelt, vor allem über das Leitmedium Fernsehen. Politik muss sich dabei den Bedingungen der Medien an-passen, konkurriert sie doch mit den zahlreichen anderen Formaten um das knappe Gut Aufmerksamkeit der Rezipienten. Das spiegelt sich auch darin, dass die Inszenierung der Akteure wichtiger geworden ist als die Sachargumentation. Oder wie Alt-Bundeskanzler Helmut „Schmidt-Schnauze“ Schmidt einmal angemerkt hat: „Der Politiker ist heute zu mindestens 50 Prozent Schauspieler.“  

Wir haben politische Kommunikation im Rahmen eines breiter angelegten Forschungsprojekts einmal aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger unter die Lupe genommen und dabei versucht, das Dreiecksverhältnis Politik, Medien und Öffentlichkeit nicht aus den Augen zu verlieren. Wie erleben also die Bürgerinnen und Bürger die Art und Weise, wie sich Staat und Politik – direkt oder indirekt – an sie wenden? Wie wird politische Kommunikation heute sozusagen in der enormen Bandbreite zwischen Baumplakat und Web 2.0 wahrgenommen?  

Wenn wir beobachten, wie politische Kommunikation von ihren potentiellen Adressaten beobachtet wird, so stellen wir zunächst fest, dass sie nicht etwa als klarer und verständlicher Strom von Informationen erscheint, sondern als lautes und irritierendes Rauschen ohne erkennbare Struktur. Ordnung zu schaffen und Sinn und Bedeutung aus dem Rauschen herauszufiltern wird in der Folge oft als Aufgabe und letztlich als „Bringschuld“ der Politik gesehen: „Die wollen ja, dass wir sie verstehen!“  Politische Kommunikation wird dieser Erwartung aber nicht nur nicht gerecht, sondern trägt noch zur Problemverschärfung bei, insofern als sie in hohem Maße mit der gängigen Alltagskommunikation divergiert. Politische Kommunikation folgt anderen Regeln, weist andere Charakteristika auf als Kommunikation im Alltag. Dabei müsste sich politische Kommunikation gerade an die Usancen der Alltagskommunikation ankoppeln, wenn sie die Menschen erreichen und von ihnen verstanden werden will.  

Die Kommunikation  von Politik und Politikern – teils direkt gesendet, häufig jedoch durch die Massenmedien vermittelt – wird insgesamt als ohrenbetäubende Kakophonie erlebt. Die Diskurse erscheinen vielstimmig, aktionistisch und oft widersprüchlich. Man erkennt weder einen roten Faden, noch Anfang und Ende der Debatten.  

Zur Kakophonie gesellt sich die teils hypnotische Wirkung von Politiksprache. Politiker pflegen eine bewusst vage und unkonkret gehaltene Sprache und üben sich in stetiger Wiederholung von wohl klingenden Parolen und Begrifflichkeiten („Wohlfühl-Rhetorik“). Originalton eines Befragten: „Zum Beispiel Modernisierung der sozialen Sicherungssysteme klingt ja erst einmal gut, bis man dann erfährt, was dahinter steckt. Das Unangenehme wird erst einmal in schöne Worthülsen verpackt, die einen in Sicherheit wiegen“  

Darüber hinaus bewegt sich politische Kommunikation für die Betrachter häufig zwischen Fachchinesisch und Stammtisch-Populismus. Einerseits wird der hohe Komplexitätsgrad politischer Vorgänge und Maßnahmen – wie manche meinen, bewusst – aufrecht erhalten, um „den normalen Bürger“ kommunikativ auszuschließen. Es entsteht Politik, die nur noch der innere Zirkel versteht (siehe Gesundheitsreform). Anderseits wird beobachtet, dass Politik auch versucht, sich an vermeintliche Massenmeinungen anzukoppeln und dabei komplexe Sachverhalte unzulässig vereinfacht.  

Grundsätzlich erkennen die Bürgerinnen und Bürger an, dass die Probleme, mit denen Politik konfrontiert ist, oft kompliziert und komplex sind und dass Politik insgesamt „ein schwieriges Geschäft“ dargestellt. Trotzdem darf das in letzter Zeit erschreckend oft aus Politikermund zu hörende Argument, Politik sei so kompliziert geworden, dass sie die Experten kaum mehr verstünden und sie selbst interessierten Bürgern nur schwer vermittelbar sei, nicht zur gängigen Entschuldigung von „Kommunikationspannen“ von Staat und Politik werden.  

Vielmehr erwarten die Bürgerinnen und Bürgern, dass man mit ihnen kommuniziert, dass politische Ziele benannt und die Mittel und Wege zu ihrer Erreichung erläutert werden. Und dies in aller Klarheit und Wahrheit. Die Kommunikation wird deutlich erleichtert, wenn Politikvermittlung dabei den Regeln der Alltagskommunikation folgt und eine „Bürgersprache“ entwickelt und pflegt. Erst auf dieser Basis wird politische Kommunikation Aufmerksamkeit erzeugen können, besser verstanden werden und eher Chancen haben, als ehrlich, transparent und glaubwürdig wahrgenommen zu werden.